Ein spontaner Ausflug ans Meer? Ohne große Planung? Ins Ausland mit dem Elektroauto? Das geht nicht! Oh doch, und wie das ging. Es war nicht ganz problemlos, aber an neuen Aufgaben wächst man, und so habe ich wieder einiges dazu gelernt. Zugegebenermaßen hatte ich etwas vorgesorgt, da wir schon immer ab und zu mal nach Holland an die Küste gefahren sind, vor allem zu diesem Ziel: Den Haag – Scheveningen. Das ist von Wuppertal mit 270km die kürzeste Strecke bis zum Meer. Die Ladekarte der niederländischen RWE-Tochter namens Essent hatte ich bereits vor vielen Wochen bei meinem Autostrom-Partner BEW beantragt. Aber auch die bereits vorhandene Ladenetz-Karte funktioniert an einem Großteil der Ladesäulen bei den Nachbarn. Es gibt nämlich einen Roamingvertrag zwischen e-Laad und Ladenetz, der dies seit diesem Sommer möglich macht.

Der erste Stopp führte uns nach Duisburg zum Innenhafen, wo es eine Ladestation der Stadtwerke Duisburg gibt. Im Plugfinder-Verzeichnis hatte ich gesehen, dass diese Säule derzeit nicht erreichbar ist, da die Parkplätze mit Pollern versperrt sind. Die alternative Ladestation direkt am Kraftwerk war wenig attraktiv, da dieser Stadtteil ziemlich dreckig ist und von Prostitution und Biker-Gangs dominiert wird. Dank meines 10m langen Typ 2 Kabels sollte die Ladesäule am Innenhafen dennoch erreichbar sein. Leider musste ich vor Ort dann feststellen, dass die Stadtwerke diese offenbar für den Otto-Normal-Verbraucher deaktivert hat. Meine RFID-Karte wurde nicht akzeptiert. Auch nicht, als ich den ohnehin voll geladenen Carsharing Leaf einfach aus seiner Dose zog. Also fuhren wir doch zum Kraftwerk, um dort direkt beim Stromerzeuger per Schnellladung nachzuladen.

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Weiter ging es dann über die Grenze zur niederländischen Stadt Arnhem. Dort gab es laut Plugfinder mehr als genug Auswahl an Ladesäulen, wenn auch nur die halb so langsame 11kW Variante. Mehr Saft gibt es leider extrem selten in den Niederlanden. Der erste Anlauf war eine Essent-Ladesäule, welche wir aber auch nach 20-minütiger Suche nicht finden konnten. Auch das ortsansässige VVV wusste nichts von einer Ladesäule in der Nähe. Später erfuhr ich, dass die Ladestelle in dem Hochhaus von Essent in der Tiefgarage und nicht öffentlich zugänglich ist. Schade Schokolade! Also weiter zur nächsten und zur nächsten und zur nächsten Ladesäule. Erst der vierte Versuch, eine nicht belegte Ladestation im öffentlichen Raum zu finden, war erfolgreich. Es ist nicht nur der helle Wahnsinn, dass die Niederlande locker 10x soviele Ladestationen zu haben scheinen, sondern auch, dass dort unfassbar viele Elektroautos und Plugin-Hybride fahren. Und zwar offenbar ohne Garage oder dergleichen! Das bestätigt übrigens meinen kürzlich vollzogenen Selbstversuch, dass man bei ausreichend ausgebauter Infrastruktur keine Garage zuhause benötigt. 🙂

Baustelle_Arnhem  Arnhem_eLaad1  Arnhem_eLaad2
Arnhem_eLaad3  Arnhem_eLaad4  Arnhem_eLaad5

Leider haben auch die Nachbarn ihre liebe Mühe mit falsch parkenden Verbrennern. Wir fuhren an diversen Ladesäulen vorbei, die aus diesem Grunde nicht nutzbar waren. Die große Anzahl an Volt- und Ampera-Fahrern stört das natürlich nur halb so sehr wie Fahrer von rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen. Eine Knolle habe ich aber leider bei keinem Falschparker gesehen. Nach einem einstündigen Spaziergang durch die wirklich schöne Innenstadt von Arnhem ging es dann weiter nach Utrecht, wo laut Plugfinder eine 22kW Ladestation auf uns warten sollte.

Arnhem

Leider verloren wir auf dem Weg in die Innenstadt von Utrecht noch deutlich mehr Zeit, als wir ohnehin bereits zuvor auf dem Weg in die Stadt Arnhem verloren hatten. An den Autobahnen gibt es in den Niederlanden leider keine Ladesäulen, daher waren wir gezwungen, irgendwo raus zu fahren. Es war aber leider nicht meine beste Idee, ausgerechnet die größten und interessantesten Städte auf dem Weg an die Küste anzufahren. Eine wichtige Erkenntnis ist daher: Kleine Städte auswählen und die Wege abseits der Autobahn so kurz wie möglich zu halten – es sei denn, der Weg ist das Ziel und Zeit genug vorhanden! Zumindest durften wir so zwei Städte kennenlernen, die wirklich attraktiv sind und die wir sonst wohl niemals besucht hätten. Besonders Utrecht hatte es mir dabei angetan.

Utrecht1  Utrecht2  Utrecht3

Eine weitere Erkenntnis für die nächste Fahrt war außerdem, dass man in den Niederlanden am besten so selten wie möglich lädt. Die Ladung mit nur 11kW kostet einfach viel Zeit. Die bessere Lösung für die Strecke haben wir auf dem Rückweg dann auch prompt ausprobiert. Aber dazu später nochmal mehr. In Utrecht fanden wir am angestrebten Ladepunkt tatsächlich zwei Ladesäulen nebeneinander direkt an der Straße. Für einen Deutschen wirklich ein irritierendes Bild – erst recht, wenn die Hardware auch noch so unterschiedlich aussieht. Auch hier gab es natürlich den obligatorischen ladenden Plugin Hybrid, als auch den falsch parkenden Stinker.

Essent_Ladestation_Utrecht1  Essent_Ladestation_Utrecht2  Essent_Ladestation_Utrecht_Renault_ZOE

Als wir nach Den Haag reinfuhren, kamen von meiner Frau Bedenken auf, dass wir die restlichen 15km vielleicht nicht schaffen würden. Ich tat also dem sicherheitsliebenden Geschlecht den Gefallen und hielt ein weiteres Mal für eine kurze Ladung an. Dazu langte ein schneller Blick in die Plugfinder-App, welche uns mit möglichen Zielen in der Nähe praktisch erschlug. Ein weiteres Mal wurde ich neidisch, dass der Ausbau der Lade-Infrastruktur in Deutschland noch nicht annähernd soweit ist.

DenHaag_Renault_ZOE1  DenHaag_Renault_ZOE2  DenHaag_Renault_ZOE3

Im Stadtteil Scheveningen angekommen suchten wir dann in der Nähe des Hotels ein schönes Plätzchen für den ZOE, wo er über Nacht für die Rückfahrt am nächsten Tag wieder vollladen konnte. Die erste Säule war – man ahnt es – wieder belegt bzw. zugeparkt. An der nächsten Ladestation standen wir dann vor dem Problem, dass in diesem Straßenzug die maximale Parkdauer mit 60 Minuten angegeben war – mehr wollte der Parkautomat nicht rausrücken. Bei 11kW Ladeleistung benötigt der ZOE aber über drei Stunden, um voll zu werden. Aufgrund mehrerer Informationsquellen mutmaßte ich dann, dass das Parken für ladende Elektroautos kostenlos sei – ähnlich wie oftmals bei uns in Deutschland. Dem war aber leider nicht so, und so hatten wir am darauf folgenden Tag ein Knöllchen über 57 Euro an der Windschutzscheibe kleben. Das war nun eine extrem teure Ladung und meine Aggression entsprechend hoch. Es ist mir schleierhaft, wieso man so sehr die Elektromobilität fördert, aber auf der anderen Seite gesetzlich verhindert, dass man die Ladesäulen dann auch entsprechend nutzen kann! 🙁

Scheveningen_Falschparker  Scheveningen_Renault_ZOE_eLaad1  Scheveningen_Renault_ZOE_eLaad2

Scheveningen_Strand

Als wir uns wieder auf den Rückweg machten, plante ich eine andere Strecke als auf dem Hinweg am Vortag. Es sollte nur ein relativ kurzer Ladestopp in den Niederlanden werden. Gerade genug, um Goch, den äussersten Zipfel Deutschlands zu erreichen und dort an einer RWE-Ladesäule mit 22kW zu laden. Als Abstecher von der Autobahn wählte ich dieses Mal dann auch ein direkt an der Autobahn gelegenes Örtchen. Der Weg führte uns in ein Industriegebiet der Stadt Tiel, wo unter anderem diverse Vertragshändler verschiedener Automarken ihre Filialen hatten. Die bei Plugfinder hinterlegte e-Laad-Ladestation befand sich direkt vor der Tür eines VW-Händlers. Die Zeichen der Zeit zeigten, dass diese länger nicht genutzt wurden, was mich bei dem schwachen Engagement von Volkswagen in Sachen Elektromobilität auch nicht wunderte. 😉

Ladestation_eLaad_Tiel_Spinnweben  Renault_ZOE_eLaad  Renault_Dealer_Ladestation_zugeparkt_ZOE

Aus Langeweile spazierten wir eine knappe Stunde umher und fanden zufällig drei weitere Ladestationen, die in Plugfinder nicht hinterlegt waren. Da wurde klar, dass die Niederlande noch besser ausgerüstet ist, als ich bis dahin angenommen hatte. Eine Station befand sich öffentlich zugänglich vor einer Firma. Eine weitere fanden wir beim Renault-Händler, welche aber leider von zwei nicht mehr ladenden ZOE’s belegt war. Ohnehin hatte der Händler seine Zufahrt für das Wochenende zugesperrt, weswegen die Säule so oder so für uns nicht erreichbar gewesen wäre. Zwei weitere Stationen fanden wir bei Toyota nebenan – frei zugänglich und lediglich eine belegt durch einen Prius PHEV.

Die zweite Etappe zeigte sich dann recht spannend! Wir erreichten mit der vorausgesagten Reichweite auf dem letzten Kilometer die rettende Schnellladesäule in dem schönen Städtchen Goch – das war wirklich knapp. Ein paar Minuten länger hätten wir also in Tiel laden sollen, aber glücklicherweise wurden wir von den Stadtwerken Goch nicht enttäuscht. Deren RWE-Ladesäule war nicht nur frei, sondern ludt ohne Probleme und ohne Freischaltung den ZOE mit den vollen 22kW. Dank dem Messemodus somit sogar kostenlos, weshalb wir es uns dann im nahe gelegenen Balkan-Restaurant gut gehen ließen. An dieser Stelle sei gesagt: Sollte euer Weg es zulassen, dass ihr auf dem Weg von oder in die Niederlande in Goch laden könnt, tut das auch! Es ist wirklich sehr schön da, und nicht nur das Balkan-Restaurant war hervorragend, in der Nähe gibt es diverse weitere attraktive Möglichkeiten, sich die „Ladeweile“ zu vertreiben!

Renault_ZOE_Reserve  Goch_Renault_ZOE1  Renault_ZOE_Statistik_Holland

Der letzte Abschnitt führte uns wieder nach Duisburg zum Kraftwerk, wo wir unter Aufsicht des Werkschutzes trotz der Dunkelheit in diesem Stadtteil keine Angst haben mussten. Allerdings hatten wir nur aufgrund der Angst meiner Frau überhaupt dort angehalten. Sie traute der knappen Reserve nicht und sollte tatsächlich recht behalten. Durch den Einsatz der Heizung und der zu absolvierenden Höhenmeter von Duisburg nach Wuppertal hätten wir das Ziel wirklich um fast 10km verfehlt! Um die Etappe ohne weitere Ladung zu schaffen, hätten wir also auf die Heizung verzichten und langsamer als 95km/h fahren müssen.

Als Fazit zu diesem Ausflug bleibt zu sagen: Plant möglichst wenig Ladestopps in Holland, bezahlt durchgehend die Parkuhr, auch wenn ihr am Laden seid, und wählt vor allem nur Ladehalte, die nicht weit entfernt von der Autobahn sind. Im Gegensatz zu den fast neun Stunden für den Hinweg haben wir durch die bessere Route für den Rückweg lediglich sechs Stunden benötigt. Mit der Möglichkeit, direkt an einer Autobahnraststätte – und vor allem schnell – zu laden, wären vermutlich auch knapp fünf Stunden möglich. Im nächsten Jahr soll es in den Niederlanden tatsächlich ein großes Projekt geben, welches genau diese Lücke schließen soll. Abschließend bleibt zu sagen, dass die 611km gerade mal rund 3,50€ gekostet haben und zwar an der Essent Ladesäule in Utrecht. Alle anderen Ladungen gingen auf den Deckel von e-Laad/Ladenetz/WSW. Vielen Dank dafür!

Stadtwerke_Duisburg_Kraftwerk