Meine Frau und ich haben in der letzten Woche unsere erste rein elektrische Langstrecke von insgesamt 2000 Kilometer hinter uns gebracht. Um es kurz zu machen: trotz aller grundsätzlicher Bedenken aufgrund der begrenzten Reichweite der reinen Elektroautos und der noch lückenhaften Ladeinfrastruktur hat die Tour völlig problemlos geklappt.

Drei Koffer und Skiausrüstung passen locker in den Kofferraum

Die technischen Vorraussetzungen waren optimal: Wir nutzten das Elektroauto mit der aktuell größten Reichweite, einen Tesla Model S mit einer Akkukapazität von 85 kWh. Die Ladeinfrastruktur bestand aus dem frisch eröffneten Netz von Schnellladestationen an der Autobahn und normalen Steckdosen an den Hotelunterkünften.
Die Rahmenbedingungen der Fahrt zeigten sich dagegen als harte Nuß für Elektroautos: Bei winterlichen Temperaturen und beladenem Fahrzeug mussten wir aus der norddeutschen Tiefebene bis auf eine maximale Paßhöhe von 1800 m fahren. Stürmischer Gegenwind kam auf der Hinfahrt dazu, die Heizung wollten wir ohne Einschränkung nutzen und Winterreifen bei Regen kosten ebenfalls Energie.

Die Strecke: Dülmen – München – Sautens im Ötztal – Friedrichshafen – Dülmen (Insgesamt 2000 km)

SC-Fahrt1

Am ersten Tag ging es von Dülmen nach München, 700 km Fahrtstrecke mit ca. 400 Höhenmetern Anstieg (die Höhenmeter sind beim elektrischen Fahren ein wichtiger Faktor, weil ein Anstieg die Reichweite beeinflusst). Das Model S hat im voll geladenen Zustand eine Winter-Reichweite von etwa 300-350 km auf der Autobahn bei einer Richtgeschwindigkeit von 130km/h. Weil noch unerfahren haben wir in kürzeren Abständen den Wagen aufgeladen: nach 160 km an der Sauerlandlinie (Autohof Wilnsdorf), nach weiteren 260 km (Autohof Bad Rappenau) und nach weiteren 200 km (Autohof Scheppach). Die letzten Kilometer nach München wären auch ohne den letzten Ladestopp möglich gewesen. Die Ladestationen an den Autohöfen werden Supercharger genannt und zeigen einige Besonderheiten. Im Gegensatz zu den „kleinen“ Ladestationen in den Innenstädten werden diese mit Gleichstrom betrieben und können den Akku des Model S mit 135 000 Watt Leistung „betanken“. Dies bedeutet in der Praxis, daß eine Pause von ca. 30 Minuten ausreicht, um auf 90 Prozent der Akkufüllung zu kommen. Das Aufladen auf 100 Prozent würde deutlich mehr Zeit beanspruchen, weil die Ladestation die Leistung zur Schonung des Akkus bei hohen Füllständen herunterregelt. Das Aufladen an den Superchargern ist im Kaufpreis des Wagens inkludiert und es ist keine aufwendige Freischaltung der Ladesäulen notwendig => Anschließen und Kaffee trinken, fertig. Da wir auch an den Zielorten immer kostenfrei laden konnten, waren übrigens die kompletten 2000 Kilometer gratis.

Supercharger am Autohof  Autohof

In München gab es in Laufweite des Hotels das Parkhaus Skyline/Schwabing mit einer Typ 2-Ladestation mit 11 kW Ladeleistung, also war über Nacht der Akku wieder voll. Am zweiten Tag ging es von München über Garmisch-Partenkirchen über den Fernpaß Richtung Ötztal (160 km bei 300 Metern Anstieg). Gerade in Bezug auf Paßstraßen waren wir noch unsicher bezüglich der Reichweite. Hier zeigte die effiziente Rekuperation (Energierückgewinnung beim Bremsen und Bergabfahren) des Model S ihre Vorteile. So lange man genug Akkukapazität hat um auf die Passhöhe zu kommen, gewinnt man beim Bergabfahren einen Großteil der Lagenergie wieder in elektrische Energie (=Reichweite) zurück. So blieb der Energieverbrauch über den Fernpaß bei den im Flachland üblichen 21-23 kWh/100 km, obwohl wir auf 1200 Meter über NN fuhren.

Drei Tage im Ötztal zeigten auch den kleinen Nachteil des Model S, seine Breite. In den engen Sträßchen der Bergorte muß man mit der überbreiten Limousine gut aufpassen. Im Hotel haben wir nicht nur wegen der notwendigen Schukosteckdose einen Carport-Platz gebucht, sondern auch wegen der winzigen Parklücken auf dem kleinen Hotelparkplatz, welche nicht zu den US-Ausmaßen des Model S passten.

kuetai  sonnenplateau  bergundtal

Das Aufladen mit einer Schuko-Steckdose war bei drei Nächten Aufenthalt kein Problem, kleinere Touren ins Tal oder auf die Hochebenen inklusive. Die Weiterreise zum Bodensee führte uns dann am Supercharger in Sankt Anton am Arlberg vorbei. Nach einem kurzen Ladestopp ging es auf 1800 m Höhe über den Arlbergpaß Richtung Feldkirch/Bregenz. Es war beeindruckend, wie gut die Rekuperation des Model S funktionierte. Trotz starkem Gefälle reichte es, den Fuß vom Strompedal zu nehmen und ohne zusätzliches Bremsen oder Runterschalten lief der Wagen den Paß hinunter. Berg- und Talfahrten sind mit einem Elektroauto deutlich komfortabler zu meistern, als mit einem klassischen Auto mit Verbrennungsmotor.

Sankt Anton am Arlberg  arlbergpass

Nach zwei Nächten am Bodensee mit kostenfreier Nachladung mittels Schukosteckdose ging es auf den Heimweg. Mit ca. 670 km sparten wir uns einen Zwischenstopp am Supercharger Aichstetten und kamen bequem in knapp 7 Stunden mit zwei kurzen Stopps daheim an.

Fazit:

Mit den Superchargern sind Langstrecken bequem im Elektroauto möglich. In diesem Jahr wird durch den weiteren Ausbau der Infrastruktur in Mitteleuropa jedes Ziel erreichbar sein. Bei Hotelaufenthalten benötigt man in der Regel nur eine Haushaltsteckdose, solange man nicht komplett leer abends ankommt und am nächsten Morgen weiter muss. Letztlich genügt ein Anruf beim Hotel im Vorfeld, um die Reise sicher zu planen.

Die Größe des Model S kann in engen Parkhäusern und in kleinen Gassen zu Rangiermanövern führen, doch der Platz im Wagen ist dafür riesig. Das Fahren im Gebirge klappt besser als man denkt, der Reichweitenverlust ist aufgrund der Energierückgewinnung erstaunlich gering. Sogar meine Ehefrau war nach anfänglicher Skepsis von dieser neuen Art der Mobilität begeistert.