Stell dir vor du fährst ein Elektroauto, im Winter, auf der Autobahn, mit Heizung an und es ist plötzlich Stau – Vollsperrung – OH MEIN GOTT, alle werden erfrieren oder zumindest mit leerem Akku liegen bleiben!
Diese Folge Elektroautoguru ist inspiriert durch den Blog Artikel vom lieben Morell, der sich zurecht über ein viral gegangenes Foto (Autos im Winter im Stau) geärgert hat, welches mit folgendem Text titelte:
„Wenn das alles E-Autos wären. Wer würde die alle abschleppen nach 3h heizen?
Man könnte es mit Humor nehmen, wäre nicht erschreckend klar, dass diese polemische Grundaussage auch ernst genommen wird. Natürlich ist es richtig, dass die Heizung in einem Elektroauto Reichweite kostet, ähnlich wie die Nutzung der Klimaanlage im Sommer. Manche Autos, wie zum Beispiel der Renault ZOE, haben daher eine technisch aufwendige Wärmepumpe verbaut, die aus 1kW Strom 3kW Wärme produzieren kann. Ein Tesla verzichtet darauf und hat einen normalen Heizstab der aus 1kW Strom daher auch nur 1kW Wärme erzeugt. Der Vorteil im Tesla ist, dass die Heizung sehr schnell Wärme liefert, während es im ZOE ein paar Minuten dauern kann, bis es wirklich warm wird.
Die Maximalleistung der Tesla Heizung dürfte bei etwa 6kW liegen, würde man also 1h im Stau stehen und dauerhaft die volle Leistung abrufen, könnte man es sich bei vollem Akku eines Model S 75D (75kWh Kapazität) für über 12h sehr gemütlich warm machen. Björn Nyland hat das mal getestet und sein Model X in eine Sauna verwandelt: Stolze 43°C hat er dabei erreicht.
Glücklicherweise hat nicht jeder das Bedürfnis im Stau eine Saunalandschaft im Auto zu eröffnen, sondern begnügt sich mit einer Dauerleistung von circa 1,5kW bei winterlichen Verhältnissen in Deutschland und eingestellten 22°C. In Norwegen kam Björn Nyland bei Aussentemperaturen von -36°C auf 2,7kW Heizleistung während er in seinem Tesla sechs Stunden bei eingestellten 18°C übernachtet hat.
Kalkuliert man nun den oben angesprochenen Fall einer 3-stündigen Sperrung im Winter, kommt man mit einem Tesla und einer Solltemperatur von 22°C auf einen Reichweitenverlust von weniger als 20km. Das kann sicherlich auch mal relevant sein, allerdings sollten die Ladestopps so gewählt werden, dass man nicht mit deutlich unter 10% Restreichweite am nächsten Ladestopp ankommt. Anderenfalls verliert man wertvolle Zeit, da der Akku bei zu niedrigem Ladestand nicht mit voller Leistung geladen wird. Diese 10% würden sogar für eine 5-stündige Sperrung ausreichen und wenn selbst das nicht reicht, muss man immer noch nicht frieren, sondern kann die Solltemperatur einfach auf zum Beispiel mit Jacke noch erträgliche 18°C reduzieren und damit den Heizverbrauch beträchtlich senken.
Mit diesen empirischen Beispielen sollte das Foto entlarvt sein und darf als schlechter Witz bewertet werden. Wer dennoch ängstlich ist oder gedenkt auf der Autobahn seinen Wohnsitz zu eröffnen, behilft sich einfach mit altbewährten Mitteln: Omas Kuscheldecke aus dem Kofferraum, die früher bei keiner Winterfahrt gefehlt hat.