Die erste Folge von Elektroautoguru ist länger her als ich wollte, aber ich habe mein Ziel von zwei Videos bzw. zwei Blog Artikeln pro Woche bisher dennoch halten können. Dabei ging es allerdings primär um Neo. Nun geht es weiter mit der mir im realen Leben zweitmeist gestellten Frage zum Elektroauto: Wie lange dauert das Laden eines Elektroautos? Natürlich lässt sich diese Frage genau so wenig pauschal beantworten wie die letzte. Aber eine Annäherung und ein Überblick über die aktuelle Situation der Modelle ist dennoch möglich. Folgende Aspekte sind grundsätzlich relevant für die Ladezeit:

  • Kapazität des Akkus
  • Leistung der Ladestation
  • Ladestandard (Steckertyp)
  • Temperatur des Akkus
  • Füllgrad des Akkus zu Ladebeginn (SOC)
  • verwendete Zellchemie des Akku

Manche davon lassen sich gar nicht oder nur durch die Wahl des Elektroautos beeinflussen. Daher sind sie im Alltag auch nicht wirklich relevant, sollten aber zumindest bei Fahrzeugwahl bedacht werden.

Kapazität des Akkus

Die Kapazität, oder umgangssprachlich Größe des Akkus bestimmt im Wesentlichen, wie hoch die Belastung der einzelnen verbauten Zelle des Akkus beim Laden ist. Umso mehr Zellen vorhanden sind, um so höher kann der Akku beim Laden belastet werden. Ein ZOE hat zum Beispiel 22 oder 40kWh Kapazität, ein Tesla Model S hat 75 oder gar 100 kWh.

Leistung der Ladestation

Unabhängig vom Ladestandard (Steckertyp) können Ladestationen in unterschiedlicher Leistungsfähigkeit gebaut werden. Manchmal bildet auch die Anschlussleistung des Stromnetz eine Limitierung, weshalb eine Ladestation nicht so schnell Strom liefert, wie der Standard eigentlich hergeben würde. Die meisten Ladestationen in Deutschland bieten 20 bzw. 22kW Ladeleistung. Stationen mit 50 bzw. 43kW Ladeleistung (Gleich- bzw. Wechselstrom) gibt es schon deutlich seltener, werden aber in den nächsten Jahren dank Fördergeldern massiv ausgebaut werden. Varianten mit 70kW, 150kW oder gar 350kW, gibt es aktuell kaum, gar nicht oder bestenfalls als Prototyp.

Ladestandard (Steckertyp)

Mehrere Jahre hat sich die Autoindustrie versucht auf einen gemeinsamen Stecker zu einigen. Nach langem Ringen haben wir nun etwa eine Handvoll verschiedener Standards, jeweils mit Gleich- und Wechselstrom. In Europa wurde der CCS Standard festgelegt für die Schnellladung mit Gleichstrom. Für langsame und gemäßigte Schnellladung mit Wechselstrom, ist in Europa Typ2 Standard.

  • CCS = Combined Charging System (bis 50kW)
    theoretisch bis 350kW möglich
  • CHAdeMO (bis 50kW)
    theoretisch bis 150kW möglich
  • Typ 2 (bis 43kW)
  • Tesla Supercharger (bis 145kW)
    nur für Tesla Fahrzeuge, basiert auf Typ2 Stecker

Am meisten in Deutschland verbreitet ist der Typ2 Standard. CCS und CHAdeMO fallen dahinter sehr deutlich ab, bieten aber aufgrund der Spezifikation die beste Langzeitperspektive im Bereich der Schnellladung. Die Tesla Supercharger sind in Deutschland Flächendeckend verfügbar, was bedeutet, dass man von überall an jedes beliebige Ziel fahren kann, wenn auch eventuell mit leichten Umwegen. Neben der recht hohen Ladeleistung bereits heute, bieten die Supercharger den Vorteil, dass pro Standort in der Regel 8 Stalls verbaut sind, es können also 8 Tesla gleichzeitig laden. Bei CCS/CHAdeMO sind es typischerweise nur eine oder in selten Fällen auch mal zwei Ladestationen an einem Standort.

Temperatur des Akkus

Ein Akku fühlt sich bei 20 bis 25°C am wohlsten, darüber muss er in der Regel gekühlt werden beim Laden. Um so kälter ein Akku ist, um so schlechter können die Elektronen fließen. So ist die Hemmnis bei 0°C oder weniger so stark, dass die Leistung bis zu 50% absinken kann. Idealerweise kann ein Elektroauto den Akku auch aufheizen, dies erhöht die Leistungsaufnahme und verkürzt die Ladezeit. Fahrzeuge ohne dedizierte Heizung sind darauf angewiesen, dass man vor einem Ladestopp ein paar Kilometer den Akku durch „Vollgas“ fahren anwärmt. Ansonsten bleibt nichts anderes übrig, als beim Laden auf das langsame Aufwärmen des Akkus zu warten, da auch beim Laden Wärme entsteht, wenn auch relativ wenig.

Als Beispiel sei ein Renault ZOE mit 22kWh Akku genannt, bei dem sich folgende Ladezeiten ergeben können:

  • bei 20 °C = ca. 30 Minuten 0-80% SOC
  • bei -10 °C = ca. 60 Minuten 0-80% SOC

Füllgrad des Akkus zu Ladebeginn (SOC)

Der State Of Charge, oder SOC abgekürzt, bezeichnet den Füllstand des Akkus, typischerweise in Prozent angegeben. Je voller ein Akku nun ist, desto schlechter kann er Leistung aufnehmen. Das bedeutet, dass ein Akku von 20% bis 60% deutlich schneller geladen ist, als von 60% bis 100%. Typischerweise fangen die meisten Elektroautos bei etwa 75% SOC an die Leistung stetig zu verringern um so voller der Akku wird. Daher macht es bei Langstreckenfahrten am meisten Sinn, die Route und Ladestopps so zu planen, dass man maximal bis 80% lädt und dann zur nächsten Etappe aufbricht.

verwendete Zellchemie des Akku

In den letzten Jahrzehnten hat es diverse Varianten von Akkumulatoren gegebenen. Die bekannteste Variante ist die Bleibatterie, mit der die allerersten Elektroautos Anfang des vorletzten Jahrhunderts, als auch in den 70er Jahren, ausgestattet wurden. Je nach Zellchemie ergeben sich ganz unterschiedliche Eigenschaften bezüglich Leistung, Kapazität, Zyklenfestigkeit und Gewicht. Beispielhaft sind im folgenden weitere Varianten genannt:

  • Lithium-Ionen Akku
    2010-heute in Elektroautos im Einsatz
  • Natrium-Nickelchlorid auch ZEBRA genannt
    1996-2012 in Elektroautos im Einsatz
  • Lithium-Eisenphosphat auch LiFePO geannnt
    2012-heute in Autos im Einsatz (BYD)

Die bekannteste Technologie ist die des klassischen Lithium-Ionen-Akkus, wie er heute in fast allen Elektroautos zum Einsatz kommt. Auch hierbei gibt es noch feine Unterschiede der verwendeten Materialen der einzelnen Komponenten einer Zelle.

Fazit

Die meisten der oben genannten Aspekte ergeben sich durch den Fahrzeugkauf. Im Alltag relevant und beeinflussbar sind im wesentlichen die Akkutemperatur, die aufgesuchte Ladestation und der Füllgrad des Akkus. Die Empfehlungen lauten dabei wie folgt:

  • bei kalten Temperaturen lieber direkt nach einer Fahrt laden, nicht vor Antritt einer Fahrt
  • bei kalten Temperaturen die letzten Kilometer Vollgas geben um durch hohe Stromentnahme den Akku aufzuheizen (falls keine Akkuheizung verbaut ist)
  • Ladestationen mit möglichst hoher Leistung aufsuchen (43kW Typ2 bzw. 50kW CCS/CHAdeMO)
  • den Akku auf Langstrecken pro Etappe bis maximal 80% laden, da die letzten 20% besonders lange dauern

Hält man diese Regeln ein, kann man von folgenden beispielhaften Ladezeiten ausgehen:

  • Tesla Model S (100D) 0-80% in 30 Minuten
    am Tesla Supercharger
  • Renault ZOE (22kWh) 0-80% in 30 Minuten
    an Typ2 Ladestation mit 43kW
  • Hyundai Ioniq Electric 0-80% in 30 Minuten
    an 50kW CCS; bei 70kW in 23 Minuten

Fast alle heutigen Elektroautos, welche mit Schnelllademöglichkeit ausgestattet sind, können also einen SOC von 80% in etwa 30 Minuten erreichen. Für Langstrecken ist das sicherlich für die meisten Menschen akzeptabel. Im Alltag und Pendelverkehr kommt es eher weniger auf die Ladezeiten, da ist die langsame Ladung über Nacht zu bevorzugen.