Ich gebe zu, dass der Name Hyundai bei mir bisher keine Pulsbeschleunigung ausgelöst hatte. Aber die technischen Daten (und Ninos Video) haben mich dann doch eine Probefahrt mit dem Hyundai IONIQ Electric antreten lassen, auch wenn ich mit Hyundai bisher keine eigenen Erfahrungen hatte. Unser BMW i3, der nun nach drei Jahren in den wohlverdienten Leasing-Ruhestand gehen wird, braucht einen Nachfolger. Für kurze Strecken nutzen wir unseren Smart ED und für alles andere bisher den BMW i3. Der Nachfolger sollte schnelladefähig sein, eine möglichst große Reichweite haben und natürlich rein elektrisch angetrieben werden. Den benzinbetriebenen Range-Extender unseres i3 haben wir bei 25.000 gefahrenen Kilometern nur sehr selten gebraucht. Wir haben den 9 Litertank des REX in den gesamten drei Jahren nur dreimal befüllt, also defakto nicht benötigt. Der i3 hatte uns stets gute und treue Dienste geleistet. Seine elektrische Reichweite ist aber mit real um 130km einfach für Mittel- oder gar Langstrecken recht klein und nicht mehr zeitgemäß. Mit eher gedämpfter Erwartungshaltung machten wir uns vor ein paar Tagen auf zur Probefahrt beim hiesigen Hyundai Händler. Sowohl meine Frau als auch ich waren nach der Probefahrt in der Stadt als auch über Land absolut von dem neuen Auto aus Korea überzeugt.

Kurzum: Wir haben einen IONIQ Elektric Premium bestellt. Vom BMW i3 zum Hyundai IONIQ? – Was macht den IONIQ (außer dem erheblich günstigeren Preis) für uns attraktiver als einen BMW i3, den es ja auch inzwischen mit einer größeren Batterie gibt (33 kWh)?

Da ist vor allem die erstaunliche Effizienz des IONIC Electric: 10-11kW/100km sind realistisch zu schaffen. Wenn in der Premium Variante des IONIQ Wärmepumpe und Batterieheizung noch dazu kommen, erst recht. Damit ist die angegebene Reichweite von deutlich über 250km beim Koreaner auch wirklich realistisch. Auch die Werksangabe von 280km halte ich für im Alltag erreichbar.

Die Fahrleistungen des IONIQ – auch im verschwenderischen Sportmodus – sind deutlich weniger rasant als beim i3. Trotz teilweise ähnlich klingender Leistungsdaten (BMW 170PS, 250Nm – IONIQ 120PS, 295Nm) merkt man es in der Beschleunigung von 0-100km/h, dass der i3 trotz geringeren Drehmoment mit deutlich mehr PS aufwartet und spürbar kraftvoller beschleunigt:  BMW 7.3 sec und IONIQ 11 sec für 0-100km/h bei annähernd gleichem Gewicht (BMW 1,4t – IONIQ 1,6t). Der i3 hat durch innovative Carbonbauweise und den PS-stärkeren Motor einfach ein besseres Leistungsgewicht.

Gern nehme ich eine etwas zahmere Beschleunigung mit dafür größerer Reichweite im Alltag in Kauf. Was nützt es mir, wenn ich an der Ampel mit dem i3 100m Vorsprung raushole, aber mit dem BMW zum  Laden einen 20Minuten Boxenstopp einlegen muss, während  der IONIQ  halbvoll zügig an der Ladestation vorbeifährt? Wer kommt wohl schneller an? Die Aerodynamik des IONIQ mit einem cw-Wert von 0,2 mag ein Schlüssel zu seiner Effizienz sein. Im BMW i3 verbrauche ich als sparsamer Fahrer auf Langstrecken bei 90-100 km/h mit Tempomat auf der Autobahn im Schnitt 15.5 kWh/100km. Die i3 Community liegt im Durchschnitt bei 16.5 kWh/100km. Die von BMW angegebenen 13.5 kWh/100km erreicht man selbst im sparsamsten eco pro plus Modus des i3 realistisch eher nicht. Mit dem IONIQ habe ich mit den bei Probefahrten obligatorischen kurzen Sprinteinlagen im Sport-Modus zwischen 10.3 und 11.2 kWh/100km erreicht, und das im Basismodell noch ohne effektivere Wärmepumpe  (Außentemperatur um 10°C).

Der IONIQ gefällt mir optisch bis auf die Schnauze ohne Grill in sehr schlichtem Grauplastik, sehr gut. Einen konventionellen Kühler braucht ein Elektroauto nunmal nicht. Besonders das Heck und die Dachlinie sowie die Taglicht-LED Umsetzung gefallen mir. Auch Innen mag ich besonders das unten abgeflachte dicke Lederlenkrad und das gelungene Tachokombiinstrument. Schade, dass die Mittelkonsole nicht weiter reduziert wurde, so dass ein durchgehender Fußraum vorne, anders als beim i3, fehlt.

Foto: Frank B.

Der IONIQ hat ähnlich viele hilfreiche und sicherheitsrelevante Assistenzsysteme wie der i3. Der aktive Spurhalteassistent lenkt tatsächlich autonom, wenn er die Fahrbahnmarkierungen gut sehen kann und das nicht nur im Stau bis 30km/h wie der i3 sondern auch noch in voller Fahrt. Auf der Bundesstraße hat der IONIQ bei Tempo 100 über mehrere Kilometer um alle Kurven autonom gelenkt (natürlich mit Händen in Bereitschaft am Lenkrad). Zusammen mit dem Abstandstempomat ist das dann fast schon Autopilot Feeling wie im Tesla! Da vermisse ich nichts, was unser i3 gehabt hätte. Im Gegenteil, der Abstandstempomat  ist Radar und Kameraunterstützt. Bei BMW ist der Assistent allein vom Kamerabild abhängig, was zuweilen bei ungünstigem Licht zu sehr ärgerlichen und störend bis gefährlich-plötzlichem Aussstieg des Tempomates mit Einleitung einer Bremsung führt.

Die Türen und das Platzangebot im IONIQ sind sehr gut. Die fehlende B-Säule und die gegenläufig öffnenden Türen beim i3 sind in der Praxis doch mehr ein unpraktischer Design-Geck, da man in einer Parklücke immer eine Tür schließen muss, sonst ist man zwischen den beiden geöffneten Türen einer Seite gefangen. Zudem ist der klobige Aufnehmer für das obere Türschloss an Stelle der B-Säule ein Knubbel, an dem man sich regelmäßig beim Hinten einsteigen den Kopf stößt. Ganz anders beim IONIQ. Der Einstieg ist zwar fast roadstermässig fief, aber vorne und hinten großzügig weit. Auch Kofferraum und Beinfreiheit hinten sind beim Hyundai überlegen. Man merkt, dass er einen halben Meter länger ist. Trotzdem ist der IONIQ in der Stadt und auch bei knapper Parkplatzsituation überraschend gut handelbar und keinesfalls sperrig. Getestet in Essen zur Zeit der Equitana in Messenähe. Winziger Parkplatz in drei Zügen – passt. Das sagt sogar meine Frau bei der Probefahrt, die eigentlich kleinere Autos bevorzugt.

Aber es gibt beim IONIQ auch Dinge, die ich gegenüber dem i3 vermissen werde:
Das Ökologische Gesamtkonzept beim i3 ist einzigartig. Von der Komponenten Fertigung angefangen wird alles mit regenerativer Energie und entsprechenden Materialien produziert. Hier hat man sich bei BMWi viele Gedanken über die Gesamt-CO2-Bilanz gemacht. Beim Hyundai ist Ökologie vom Kraftstoff abgesehen nur im Einsatz von recycelten Kunststoffen und Holzspänen und Lavaasche in der Türdämmung erkennbar und er ist da ein eher konventionelles Auto. Ökostrom beim Laden ist natürlich Pflicht!

Der IONIQ ist ein „offline Auto“. Keine Smartphone App (in Europa), keine verbaute Simkarte. Webfunktionen sind nur bei Tethering des Handys mit dem WLAN des Autos indirekt vorhanden. Verbindet man das Handy mit dem IONIQ erhält man „over the air“ kostenlose (!) TomTom Kartenupdates, Verkehrs- und Wetterinfos. Im Vergleich zum i3 etwas „last century“. Dafür ist die Ladestationensuche beim  IONIQ besser in der Realität nutzbar und man kann eigene POI hinzufügen. Zum Glück erhalte ich Informationen zum Ladestand beim Schnellladen unterwegs fast immer über die jeweilige Provider-App. Von daher ist die fehlende Fahrzeug-App für mich verschmerzlich. Auch gegebenenfalls einen mobilen WiFi Hotspot im Auto zu betreiben, ist kein großer Aufwand.

Foto: Frank B.

Genau wie BMW und andere vernachlässigt auch Hyundai die Wechselstromschnellladung, da CCS verbaut ist. CCS ist im IONIQ bis zu 100kW möglich und damit definitiv auf längere Zeit zukunftssicher. Gut! Aber warum ist der Wechselstromlader nur einphasig und dann das mitgelieferte Typ2 Kabel auch noch nur bis 20A kodiert? Nur mit einem selbst zu erwerbenden Kabel, das mit 32A kodiert ist, kann man die maximale Wechselstromladung von einphasig langsamen 6,6kW erreichen. Das ist beschämend und zur Zeit in Deutschland, wo das CCS Netz weiterhin im Fetalstadium gerade erst zu existieren beginnt, nicht immer praxisgerecht, auch wenn Hyundai da in guter Gesellschaft mit anderen Herstellern ist. Die Gründe für diese Sparsamkeit sind vielfältig und mir größtenteils bekannt, aber sie entsprechen nicht meinem Kundenwunsch. Ich bevorzuge neben CCS einen dreiphasigen 22kW Typ2 Lader, zumindest als Option. Dafür hätte ich – im Jahre 2017 – auch gern Geld bezahlt.

Fazit

Der Hyundai IONIQ Electric ist (besonders in der Premiumvariante) ein wirklich schönes, vollwertiges und familientaugliches Elektrofahrzeug mit Lang- und Mittelstreckentauglicher Reichweite. Aufgrund des günstigen Preises gibt es zunehmend weniger Gründe, heutzutage KEIN Elektroauto (BEV) zu kaufen, denn die Mehrkosten bei der Anschaffung sind durch die Kaufprämie (4000€) und Einsparungen von mindestens 1000€ im Jahr bei Wartung, Verbrauchsmaterial und Kraftstoff innerhalb von 1-2 Jahren pulverisiert. Im Unterschied zu  anderen Marken, hat man bei Hyundai das Gefühl, dass Sie Ihr Elektroauto auch wirklich verkaufen wollen und es nicht nur als Flottenalibi im Katalog haben. Zudem muss jeder Hyundaihändler, der Elektrofahrzeuge anbietet, eine 24/7 freizugängliche Ladesäule installieren. Dies ist eine Vorgabe des Konzerns (Hallo BMW – Bitte mitlesen und nachmachen!) so trägt man zumindest auch zur Infrastrukturentwicklung bei. Vorbildlich.

Wer also heute noch sagt, ein Elektroauto ist zu teuer, bedient inzwischen überholte und sachlich falsche Klischees von gestern.

Foto: Frank B.

Die Zukunft

Für mich wird in zwei Jahren die Frage anstehen, ob der kompaktere und damit für mich zumindest nach den Spezifikationen noch attraktivere Opel Ampera-E dann erhältlich sein wird und ein Nachfolger des IONIQ werden könnte, obwohl ich als Bochumer schon ziemliche Bauchschmerzen bei dem Namen Opel habe.  Aber das hat nichts mit dem Ampera-E zu tun. Und erhältlich ist der e-Opel in Deutschland im Frühjahr 2017 derzeit nirgends, noch nicht mal vorbestellbar und relevante Stückzahlen in Europa sollen angeblich erst ab 2019 ausgeliefert werden. Ob sich das durch die Übernahme von Opel durch Peugeot PSA ändert, bezweifle ich. Vielleicht macht BMW auch seine Ankündigung war, dass es durch veränderte Batteriechemie ab 2018 einen i3 mit Reichweite von 450km und mit Dreiphasen Lader geben soll. Das aktuelle Batterieupdate bei BMW (+50% von 20 auf 33kWh) wird leider durch die schlechtere Effizienz relativiert. Da besonders Reichweite wegen der noch suboptimalen CCS Infrastruktur in Deutschland für uns eine große Rolle spielt, ist der i3 derzeit für uns keine Option mehr. Zudem wäre er erheblich teurer als der Koreaner. Mal schauen, wie BMW die nächste Zeit zur Nachbesserung nutzt. Wir sind mit dem i3 bisher sehr zufrieden gewesen und er war stets zuverlässig. Wir wünschen dem i3 den Erfolg, den er als erster und innovativster seiner Art eigentlich verdient.

Für die kurzen Strecken haben wir weiterhin unseren SmartED 451, den wir sicher noch lange halten werden. Und was in den nächsten zwei Jahren sonst noch kommt, wird sicher spannend. Für mich wäre das Model 3 von Tesla, was mich reizt ob seiner technischen Innovationen und des extrem schönen Designs, in zwei Jahren trotzdem eher keine Option, weil es für uns zwei Personen einfach immer noch zu groß wäre und ich die extreme Beschleunigung nicht brauche, und vermutlich der Preis der voll ausgestatteten Version mein Budget überschreiten wird. Das Model 3 wäre für meinen Anwendungsfall, das sportliche luxuriöse-Hightech-Langstrecken-EMobil, dass ich leider zu selten wirklich brauchen würde. Daher habe ich, einen Shitstorm der Teslafans verdienterweise erwartend, meine frühe Model 3 Reservierung auf ca. Platz 150.000 mit einer Träne im Auge storniert. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich meine Reservierung gern weitergegeben.

Ich freue mich jedenfalls auf ein möglichst baldiges Dieselfahrverbot in den Städten und richtig hohe Benzinpreise. Vermutlich wird erst dann die Elektromobilität den Stellenwert bekommen, den Sie eigentlich im Interesse der Umwelt heute schon haben müsste. Lobbyarbeit der altehrwürdigen Verbrennerindustrie und hartnäckig wiederholte Vorurteile gegen Elektroautos hätten dann keine Chance mehr. Ich jedenfalls freue mich auf den neuen IONIQ Electric und wir werden in den nächsten zwei Jahren nicht nur gelegentlich koreanisch essen gehen, sondern vor allem ein koreanisches Elektroauto fahren.