Seit ziemlich genau sechs Monaten befindet sich der Renault ZOE nun in meinem Besitz und ist damit längst zu 100% in meinem Alltag integriert. Ich verschwende keinen Gedanken mehr an die Vor- oder Nachteile des Elektroautos – es ist als wäre es nie anders gewesen! Ein Diesel-Auto stinkt, Benzin ist teuer und mein Elektroauto muss ich alle 2-3 Tage laden. Diese Normalität ist eine angenehme Erfahrung, bestand doch immerhin das Risiko, dass meine Psyche die kleinen Anpassungen meiner Gewohnheiten nicht zulassen bzw. langfristig nicht akzeptieren hätte können.
Wie erwartet hat meine Kompromissbereitschaft aber vollkommen ausgereicht, selbst jetzt bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, wo die Nachteile der Elektromobilität am meisten zu spüren sind.

Ich werde nie wieder einen Verbrenner kaufen!

In den sechs Monaten bin ich mit dem ZOE rund 14.000km gefahren. Das entspricht grob geschätzt etwa 160 durchgeführten Batterie-Ladungen. Der Großteil dieser Ladevorgänge war nicht nur absolut problemlos, sondern dank diverser Energieversorger auch noch kostenfrei für mich. Für viele Betreiber der öffentlichen Infrastruktur rentiert es sich derzeit einfach noch nicht, die geringen Mengen Strom abzurechnen. Dank einer präzise geführten Strichliste weiß ich, dass ich nur 14 Ladungen in der heimischen Garage getätigt habe. Weitere vier Ladungen entfallen auf privates Laden unterwegs, wo ich mich mit einer Geldspende erkenntlich gezeigt habe. Das bedeutet, dass ich für diese enorme Kilometerleistung lediglich 93€ für Strom aufgewendet habe. Mit meinem alten Verbrenner wären es rund 1600€ für Benzin gewesen. Somit ist absehbar, dass ich bereits nach neun Monaten den Mehrpreis des ZOE im Vergleich zu einem gleich ausgestatteten Renault Clio wieder reingefahren bekomme. Selbst wenn ich für jede einzelne Kilowattstunde hätte bezahlen müssen, wären das gerade einmal 675€ und somit alleine für dieses halbe Jahr immer noch ein Ersparnis von rund 1000€ gewesen.

In 6 Monaten 14.000km und nur 93€ für Strom!

Zu Beginn war es spannend, mit welchen Fragen ich von Personen aus meinem Umfeld konfrontiert wurde. Schnell wurde klar, es sind immer dieselben Zweifel, Unklarheiten, Halbwahrheiten, Vorurteile und somit die immer wiederkehrenden selben Fragen. Nach wie vor beantworte ich diese Fragen gerne und freue mich, Bewusstsein für dieses Thema zu schaffen. Doch immer öfter irritieren mich auch gewisse Äusserungen und rufen in mir Fassungslosigkeit hervor, wenn mir bewusst wird, welche Dinge für mich bereits dermaßen selbstverständlich geworden sind und damit aus ihrer „Zukunft“ in meine „Gegenwart“ transformiert sind, während sie für andere immer noch nach Science-Fiction zu klingen scheinen. Das Gefühl äussert sich in etwa so, als würde man einen Porsche-Fahrer fragen, warum sein Auto soviel Krach macht. Oder als würde man einem Lokführer eines ICE’s sagen, dass ja Dampflokomotiven viel besser seien. Häh?!

Tatsächlich ist es so, dass ich allzu erschöpfenden Diskussionen mittlerweile aus dem Weg gehe. Kaum jemand hätte heute noch Lust zu diskutieren, ob nun Schallplatten, CD’s oder MP3’s sinnvoller sind, um Musik zu erwerben und zu konsumieren. Der Übergang des Mediums ist praktisch geschafft und nur noch wenige beharren auf den Gang in einen lokalen „Plattenladen“ und dem anschließenden Aufbaren von hunderten verstaubenden Plastikscheiben in berstenden Regalen. Die Vorteile des Elektroautos sind eindeutig und die Notwendigkeit des Umstiegs auf eine modernere Mobilität ist offensichtlich. Bei Personen die gestern noch über Sinn oder Machbarkeit diskutierten, ist heute der Groschen bereits gefallen, spätestens nach der ersten Probefahrt mit einem modernen Elektroauto. Mit der Empfehlung zur Probefahrt entgehe ich dann auch gerne einer aufkommenden Diskussion: Erst testen, dann urteilen! In den letzten sechs Monaten hat noch kein einziger Proband anschließend zu mir gesagt, dass er das elektrische Fahren nicht mag oder sich nicht vorstellen kann, dass das die Zukunft ist. Wenn selbst Petrolheads wie der britische Motorsport-Journalist Chris Harris absolut sprachlos aus einem „Elektroauto“ (850PS und 4000NM) steigen, erübrigt sich eigentlich fast jede Diskussion.

Vielleicht gibt es mangels breiter Auswahl noch nicht für jedes Bedürfnis das geeignete Elektroauto, aber wenn die meisten Konsumenten so begeistert von der Technologie sind und Firmen wie Tesla Motors, Renault und BMWi erfolgreich die ersten Käufergruppen für sich gewinnen, ist es für mich keine Frage mehr, „ob“ sich die Elektromobilität durchsetzen wird, sondern nur noch „wann“! Den größten Verdienst daran hat für mich Tesla und wirkt als eine Art Brandbeschleuniger, da man deren Fahrzeuge einfach haben will, so sehr wissen sie zu begeistern und zeigen, was technisch bereits heute möglich ist – wenn Automobilbauer nur wirklich wollen. Letztlich wollen sie aber genau das, was der Kunde am meisten fordert bzw. kauft: Die Macht liegt also bei uns allen! Der letzte Groschen in der Käuferschicht als auch der Automobilindustrie wird spätestens in drei Jahren fallen. Dann wird Tesla mit der neuen Elektroauto-Generation auf den Markt kommen und zwar zum halben Preis des aktuellen Modells. Dies wird enormen Druck auf den Wettbewerb ausüben da der Preis von $35.000 für ein ähnlich geniales Konzept wie das Model S einfach zu attraktiv sein wird. Genau dann wird meiner Meinung nach auch der sogenannte Tipping-Point eintreten, von dem Lars Thomsen kürzlich absolut überzeugend erzählt hat.

2017 will jeder ein Elektroauto kaufen!

Ich bin nicht blind und bin mir absolut bewusst, dass noch längst nicht alle Probleme gelöst sind. Besonders die Betreiber der Lade-Infrastruktur haben eine gefühlt unendlich lange Liste an Hausaufgaben zu erledigen. Auch die Bundesregierung muss den Weg zum weiteren Ausbau ebnen und konkrete Maßnahmen erwirken, wie zum Beispiel ein offizielles Parkverbot für nicht ladende Autos auf Elektroauto-Parkplätzen. Da ich aber von Natur aus eher Optimist denn Pessismist bin, sehe ich diese Probleme pauschal als absehbar lösbar an. Wer dagegen wetten möchte, möge sich in den Kommentaren äussern, die Abrechnung machen wir dann Ende 2017. 🙂

Renault_ZOE_BEW-Ladestation_iMiev_Nacht

Nach dem generellen Fazit zur Entscheidung zum Elektroautos, möchte ich aber nach diesen sechs Monaten auch konkret den ZOE beleuchten. Dieser hat mir wirklich gute Dienste geleistet und meine Erwartungen mehr als erfüllt. Dachte ich zuvor, dass ich aufgrund gewisser Einschränkungen eher weniger fahren werde als mit meinem vorherigen Verbrenner, bin ich tatsächlich deutlich mehr gefahren. Der ZOE fährt sich fantastisch, absolut entspannt und vor allem bequem. Will/muss man an der Ampel mal der Erste sein, wird er zum hervorragenden Sprinter und überrascht durch hohe Agilität. Das Fahrwerk weiß dank dem niedrigen Schwerpunkt die höhere Masse gut zu beherrschen. Die üppige Ausstattung des Modell Intens befriedigt meinen Hang zu technischen Gadgets vollends, wobei es mir besonders die Rückfahrkamera, das „Keyless Go“ und vor allem die vor „Gefahrenstellen“ warnenden Coyote Services angetan haben.

Die nervigen Schattenseiten des ZOEs: Spiegelung des Armaturenbretts in der Frontscheibe, fehlende Möglichkeit während des Ladens dauerhaft zu heizen, verlängerte Ladezeiten bei Temperaturen unterhalb von 5 Grad.

Jedes Fahrzeug hat natürlich auch so seine negativen Eigenschaften. Weniger schön am ZOE ist das manchmal träge und absturzfreudige R-Link (eingebautes Multimedia-Internet-Tablet), welches seit dem letzten Update aber bereits deutlich verbessert wurde. Vielleicht schafft es Renault hier ja demnächst mit einem weiteren Update die letzten Probleme auszumerzen. Die teilweise mittelmäßige Verarbeitung stört mich indes beim ZOE überhaupt nicht. Wenn man keine Premium-Preise zahlt, darf man auch keinen Premium-Anspruch ansetzen! Solange die wichtige Technik zur Fortbewegung optimal ist, sehe ich gerne über ungleichmäßige Spaltmaße oder harte Plastikverkleidungen im Interieur hinweg. Wirklich „ätzend“ ist allerdings die Spiegelung des Armaturenbrettes in der Windschutzscheibe. Wie die helle Farbe des Kunststoffes trotz dieser Blendung sämtliche Sicherheitsprüfungen bestehen konnte, ist mir ein absolutes Rätsel. Ich habe mich durchaus damit arrangiert, bei Tageslicht wie durch einen ständigen leichten Schleier zu schauen. Aber in manchen Situationen wie z.B. einer Fahrt von sonniger Umgebung in einen dunklen Tunnel, fährt man quasi blind und sieht absolut nichts! Hier muss Renault dringend nachbessern, wozu auch bereits eine Petition der ZOE-Community läuft. Bei einem ca. 50-seitigen Forum-Thread kann man da auch wirklich nicht von einem Einzelfallproblem reden!

Eine weitere negative Eigenheit zeigte sich nun bei den aktuell niedrigen Temperaturen um den Gefrierpunkt. Ist der Akku des ZOE kalt, mag er nicht mehr mit 22kW laden. Wo bei gemäßigten Temperaturen mit dieser Leistung Ladezeiten um 60 Minuten normal waren, reduziert das BMS (Batteriemanagementsystem) die Leistung um fast die Hälfte. Dadurch ergeben sich Ladezeiten an 22kW Ladestationen von bis zu zwei Stunden bis 99% SOC. Das letzte Prozent, bei welchem nur noch das Balancing passiert, dauert anschließend sogar bis zu 30 Minuten oder gar mehr. Mir sind die physikalischen Hintergründe dazu sehr wohl klar – eine Batterie ist bei Kälte schlicht nicht so aufnahmefähig, weshalb andere Hersteller ihren Elektroautos eine Batterieheizung verpassen. Da dies in der Preisklasse des ZOE vielleicht nicht zu realisieren ist, hätte Renault meiner Meinung nach zumindest die eingeschränkte Schnellladung im Winter offen kommunizieren müssen. Glücklicherweise gibt es aber einen Workaround: Sollte die Ladedauer zeitkritisch sein, sollte man direkt nach einer Fahrt und nicht vor einer Fahrt laden. Alternativ kann man den Wagen auch einige wenige Kilometer mit Vollgas scheuchen und so den Akku durch hohe Entladeströme auf warme Temperaturen bringen.

Renault_ZOE_lange_Ladezeit_Winter_1  Renault_ZOE_lange_Ladezeit_Winter_3  Renault_ZOE_Winter-Ladezeit_nach_Fahrt

Darüber hinaus ist mir noch aufgefallen, dass man während des Ladens die Heizung nicht einschalten kann. Obwohl der Wagen anzeigt, dass die Heizung läuft, kommt nur kalte Aussenluft durch die Lüftungsschlitze. Die einzige Möglichkeit im Winter wartend im Auto sitzend nicht zu frieren, ist die Betätigung der Taste auf der Fernbedienung für die Vorklimatisierung (Standheizung). Auf fünf Minuten limitiert wird dann die Heizung aktiviert, leider nur im Umluftbetrieb, was die Scheiben natürlich schnell beschlagen lässt, wenn man nicht den Atem anhalten will. Die offizielle Aussage von Renault dazu ist: Man geht nicht davon aus, dass Kunden beim Aufladen im Auto sitzen und warten! Ok, der ZOE ist als Kurzstreckenfahrzeug entwickelt worden, daher verstehe ich diese Einstellung. Allerdings könnte man doch froh sein, wenn Kunden feststellen, dass sie mit dem ZOE auch längere Fahrten unternehmen können. Schließlich sollte sich das Problem mit einem kleinen Software Update beheben lassen können!

Nichts ist perfekt, auch der ZOE nicht, aber er ist verdammt Nah dran!

Abschließend möchte ich betonen, dass trotz dieser negativen Eigenheiten der ZOE ein grandioses Auto ist. Es ist für mich defintiv das beste Fahrzeug seiner Klasse und ich bereue keine Sekunde die Entscheidung. Letztendlich sind das für mich nur Nebenkriegsschauplätze, da das wichtigste des Autos nahezu perfekt funktioniert. Der effiziente Antrieb ist absolut zuverlässig und begeistert mich jeden Tag. Ich bin nie so entspannt Auto gefahren und hätte auch nie gedacht, dass ich sämtliche Mobilitätsbedürfnisse mit diesem Elektroauto decken kann. Das absolute Highlight ist dabei natürlich der Chameleon-Lader, der dafür verantwortlich ist, dass man das Auto von 2kW bis 43kW und somit von „ganz langsam“ bis „extrem schnell“ wieder aufladen kann. Diese Schnellladefähigkeit ist für mich definitiv der Schlüssel zur Elektromobilität, was alle anderen (BMW, Nissan, VW, Ford, usw.) noch nicht erkannt haben (Ausnahme Smart und Tesla). Ja, die neueren Fahrzeuge der Wettbewerber können zwar per CCS schnellladen, leider gibt es dafür aber erst vier (!) Ladestation in ganz Deutschland. Der ZOE lässt sich dagegen an rund 2500 Ladestationen mit 22kW aufladen und macht ihn damit zum ersten ernsthaften vollumfänglichen Konkurrenten der herkömmlichen Fahrzeugtechnologie.

Ich bin vom ZOE absolut überzeugt und spreche meine ganz klar Empfehlung an jeden aus, der primär ein Pendler/Kurzstrecken-Fahrzeug braucht und in dieser Preisklasse ein Auto sucht. Mit kleinen Einschränkungen lassen sich auch gelegentlich weitere Strecken absolvieren, ansonsten hilft Europcar gerne aus. Wichtig aber ist: Unbedingt mal Probe fahren und erst dann entscheiden – alles andere ist kalter Kaffee!