Nach fast 4 Monaten Wartezeit seit der Bestellung und mehr als einem Jahr seit der Ankündigung nutze ich seit Mitte März 2014 den heiß ersehnten neuen MacPro 6.1. Dieser hat meinen bisherigen immerhin mehr als vier Jahr alten MacPro 4.1  Xeon ersetzt. Testberichte und Reviews sowie abendfüllende Unboxing Videos gibt es dazu inzwischen in großer Zahl. Deshalb spare ich mir die Auflistung hinlänglich bekannter Features sondern wage nach knapp zwei Monaten Praxis mit dem neuen Apple Flaggschiff ein vorsichtiges und sehr persönliches Resumé. Was ist nicht nur neu, sondern auch besser? Gibt es Nachteile?

Erstmal ist dieser Computer schon äußerlich anders, als alles bisher Dagewesene und zeigt damit sofort, dass man den nach dem Erfolg der Tablett-Computer schon fast totgesagten Desktoprechner wirklich neu konzipiert hat. Ja, ich weiss: der MacPro ist eine Workstation und kein Desktoprechner…. Aber er zeigt dass es jenseits von Tablets Bedarf und Potential für Leistung gibt.

Das Design gefällt mir, aber daran scheiden sich bekanntlich die Geister und es wird immer solche geben, die den kleinen Kraftzwerg verächtlich eher mit einem Tischmülleimer vergleichen werden. Von den Abmessungen stimmt der Vergleich auch. Aber es ist unglaublich, welche Leistung sich in dieser kleinen Tonne versteckt. Wer mit Rechenpower bisher große, schwere und laut lüftende Tower mit entsprechendem Stromverbrauch assoziierte, muss umdenken.

MacPro-Reihe

von allen Seiten schön anzuschauen … Der kleine schwarze Riegel ist die 512GB SSD.

Das neuartige Konzept, das auf den ersten Blick keine Erweiterungen zuzulassen scheint, hat mich nach anfänglicher Skepsis in der Praxis mehr als überzeugt. Dass dies überhaupt funktioniert, ist der Thunderbolt(2) Technologie zu verdanken, die den PCIe-Bus quasi nach extern verlegt. Gleich sechs dieser Anschlüsse gibt es auf der Rückseite, wobei sie sich paarweise intern eine Datenleitung teilen. Mit diesen Schnittstellen kann durch ein dünnes unscheinbares (aber teures…) Kabel alles, wirklich ALLES extern auf- und nachgerüstet werden. Es bedarf also keines Eingriff in die Eingeweide, geschweige denn eines Schraubendrehers um Festplattenplatz, Soundkarte, Grafikarte oder was auch immer zu erweitern. Aber all das muss neu gekauft werden und Thunderbolt Hardware ist leider noch teuer, Thunderbolt2 Geräte gar extrem rar. Letztlich ist man aber wesentlich flexibler, als man es mit den alten Steckkarten je war. Und in der Geschwindigkeit mehr als ebenbürtig.

Was mich am meisten positiv beeindruckt hat …

  • Die Performance der internen SSD ist unglaublich und liegt weit über allem was man bisher bekommen konnte. Ich hatte im alten MacPro ein Apricorn 4-fach RAID0-SSD Subsystem, was schon irre schnell war. Durch die neue Systemarchitektur erreicht die SSD zwischen 1000-3000 MB/s. Wahnsinn! Das macht viel mehr aus, als jedes Megahertz CPU-Leistung oder jede „Kernvermehrung“.
  • Noch nie fand ich einen Rechner so schön, sogar von hinten (im Dunkeln … beleuchtet) und selbst von innen. Und mehr Beinfreiheit unter dem Schreibtisch habe ich jetzt auch.
  • Trotz der famosen Leistung ist der MacPro unhörbar leise, so dass man ihn auf den Arbeitsplatz stellen kann, ohne dass er durch Größe oder Lärm stört.

Wo ist der Haken?

  • Der größte Wermutstropfen ist natürlich … der Preis.Die bei Berührung der Reihe nach illuminierten Anschlüsse sind für die Rückseite eigentlich zu Schade.
  • Display! Wer noch ein 30″ Cinemadisplay hat, das mit dem alten MacPro prima zusammenarbeitete muss erstmal den mit 99 Euro überteuerten Duallink-Displayport-Adapter kaufen um dann festzustellen, dass itunes keine gekauften HD-Videos anzeigt, weil die neuen Grafikarten den HDCP Kopierschutz haben, das alte Cinemadisplay aber nicht. Somit ist die HDCP-Kette nicht geschlossen und iTunes zeigt gekaufte Videos nur in SD an. Wer das gute alte 30″  ACD am neuen MacPro betreiben will muss mit Einschränkungen leben, oder in ein neues Display investieren.

Tipps, wenn man sich denn einen  MacPro 6.1 leisten möchte …

  • 0W0A4328 - Arbeitskopie 2Genau planen, wofür man diesen Boliden benutzen möchte und ggfs. besser in die größte bezahlbare SSD-Ausstattung investieren und dafür ruhig auf Megahertz oder Core-Overkill verzichten. Selbst die Version mit dem kleinsten Prozessor und dem kleineren Grafikkartenpärchen auszureizen, dürfte bis auf wenige Spezialfälle (Videorendering) kaum gelingen und wird in den allermeisten Anwendungsfällen ausreichen. Da bringt die SSD am meisten. Ich bin mir trotzdem aber relativ sicher, dass es irgendwann passende SSDs geben wird, mit der man die interne SSD gegen eine größere wechseln kann. Dafür wird es einen Markt und somit auch irgendwann (Dritt-)Anbieter geben.
  • RAM später selbst aufrüsten, spart Geld.
  • Im Budget den Kaufpreis für externen Massenspeicher vorsehen. Die interne SSD ist eine rasend schnelle Arbeitsplatte und zur Datenarchivierung viel zu schade.
  • Mittelfristig wird man einen neuen Monitor benötigen, der Markt mit der an die Leistung dieses Boliden angepassten Displays ist dünn und selbst Apple hat ausser dem Thunderbolt Cinema-Display (was dem MacPro eigentlich nicht gerecht wird) bisher nichts passendes zu bieten und featured in Ermangelung eigener Produkte ein 4k-Sharp Display auf seiner Homepage. Sicher wird es in Zukunft mehr Auswahl an passenden Displays geben. Außerdem findet ja bald wieder die WWDC statt, vielleicht erfährt man dann mehr.

Würde ich es wieder tun?

Ja, und ich bereue weder die Wartezeit, noch den hohen Preis. Letztlich muss aber jeder für sich entscheiden, ob für seinen Anwendungsfall nicht ein iMac völlig ausreicht, der im Preis-Leistungsverhältniss dem MacPro überlegen ist, spätestens wenn man das integrierte Display einrechnet. Und wie so oft, ist doppelt so teuer noch lange nicht doppelt so gut. Nachdem sich der PC-Markt über Jahrzehnte selbst kopiert hat, hat Apple für Hochleistungsworkstations ein wirklich neues, extrem leistungsfähiges und trotzdem kompaktes Konzept entwickelt, dass weit in die Zukunft weist. Ich liebe meinen MacPro und wenn er wie der alte mehr als 4 Jahre Top-Leistung auch mit kommenden Anwendungen und Betriebssystemversionen liefert, hat sich die Investition absolut gelohnt.